Denkimpulse

In welchem Verhältnis stehen das Du und das Ich? Bilden sie eine Schicksalsgemeinschaft? Oder stehen sie zueinander im Konkurrenzkampf? Unter diesem weihnachtlichen Themenschwerpunkt standen die diesjährigen «Sternschnuppen», eine Anlassreihe, zu der die christkatholische Kirchgemeinde auch in dieser Adventszeit dreimal in die Franziskanerkirche einlud. Nach Martin Häusermann, CEO Solothurner Spitäler, und der Schülerin Kora Schild fand sich zum gestrigen Abschluss der Reihe Regierungsrat Remo Ankliein. Sowohl als Staatsmann als auch als promovierter Theologe regte er zu Gedanken über diesen (scheinbaren) Widerspruch zwischen der Schicksalsgemeinschaft und dem Konkurrenzkampf an. «Man könnte es als Entweder-oder-Frage betrachten – oder als Sowohl-als-auch», sagte Ankli. «Und so bedingen die scheinbar diametralen Begriffe einander, und man kommt nicht umhin, beide Wege zu gehen.»

Über den Weg der Freiheit
Einerseits ist es der Weg der freien Marktwirtschaft: «Das 20. Jahrhundert hat gezeigt, dass Planwirtschaften samt und sonders gescheitert sind.» Dagegen brachte Anklidas «Entdeckungsverfahren» des Ökonomen Friedrich August von Hayek vor, das aufzeigt, dass sich unter Bedingungen der Freiheit Wissen und Lösungen effizienter entwickeln als in staatlich oder behördlich gesteuerter Planwirtschaft – «auch wenn ich – so nahe beim Rathaus – die Weisheit der Regierung nicht anzweifeln will», fügte er augenzwinkernd an.
Auf der anderen Seite erörterte er den Begriff der Schicksalsgemeinschaft: «Das ist eine Gruppe, die zeitweise ein gemeinsames Schicksal teilt, Schiffbrüchige beispielsweise.» Er sehe den Ausdruck aber in einem globalen Kontext, «so aber wird es schwierig, von einem gemeinsam geteilten Schicksal zu sprechen, da die Lebensumstände so unterschiedlich sind». Die Menschheit bleibe abstrakt und unpersönlich. Damit sich Sympathie und Mitgefühl entwickeln können, brauche es die Begegnung mit dem Transzendentalen. «Jesus erlaubt diese Sichtweise, diesen Perspektivenwechsel, auch bezogen auf jene, die man vielleicht nicht mag.» Und gerade in Sachen Nächstenliebe ortete Ankli Nachholbedarf der Wirtschaft: «Der freiwillige Wettbewerb ist noch nicht im Idealzustand angekommen. Die Freiheit ist immer noch prekär und anfällig für Missbräuche.» Gerade die Nächstenliebe sei unabdingbar, um nicht in die Willkür abzugleiten.
Musikalisch umrahmt wurde der Anlass von Lorenz Mühlemann, der das Schweizer Zither-Kulturzentrum in Trachselwald führt und mit Saitenklängen der Volkskultur und der Meditation die Franziskanerkirche ausfüllte. Im kommenden Jahr werden die Solothurner «Sternschnuppen» in ihre zehnte Runde gehen und somit ein Jubiläum zu feiern haben, wie Pfarrer Klaus Wloemer ankündigte.